Wohltemperiert – Ausbalanciert!
Wenn ich heute Werke aus meiner Anfangszeit am Klavier aufgreife, wie hier die Fuge in d‑moll aus dem Wohltemperierten Klavier Bd. 2 von Johann Sebastian Bach (BWV 875), kann es mir passieren, dass ich ein wenig frustriert bin. Die Fuge habe ich ca. vier Jahre nach Beginn meines Klavierspielens einstudiert (was heute mehr als 25 Jahre zurückliegt) und ja, damals fiel es mir recht leicht. Heute jedoch sind meine Hände nicht mehr ganz ausbalanciert, was der Blick auf die vorliegende Aufzeichnung unschwer erkennen lässt. Nach einem Unfall vor ziemlich genau 20 Jahren habe ich linksseitig eine meiner Daumenstrecksehnen eingebüßt, was zu einer Veränderung meiner Handstellung führen musste.
Ich nutze seitdem meine Beobachtungsgabe, um die Unbalanciertheit meiner beiden Hände auszugleichen.
So wie J.S. Bach sich an der Wohltemperiertheit, also an der damals neuen und faszinierenden Gleichschwingung innerhalb aller Tonarten des Quintenzirkels, erfreut hatte und dieser gleich zwei Bände des „Wohltemperierten Klaviers“ mit jeweils 24 Präludien und Fugen folgen ließ, so erfreue ich mich heute an GLEICHMUT.
Gleichmut, dass manches bei mir eben nicht mehr möglich ist, jedoch auch die Seite des Gewinnes betrachtend: Ich habe mir bereits so viele Gedanken über einen ergonomischen und sinnvollen Einsatz sowohl des Körpers als auch des Geistes beim Klavierspielen machen müssen, dass ich wahrlich zu vermitteln weiß, was ein Klavierspieler heute für ein konzentriertes und technisch müheloses Klavierspiel benötigt.
Heureka!